Artur Rosenauer, September 2023

Man kann im Schaffen Brigitte Bruckners von einem zwiefachen Verhältnis zur Wirklichkeit sprechen. Zunächst hinsichtlich der Farbe auf der Leinwand, deren Existenz immer wieder spürbar  wird. Ihr Herunterrinnen wird sichtbar gelassen und damit wird auch der aquarellhafte Charakter ihrer Malerei betont. Vor allem in den Landschaften arbeitet sie mit dünnflüssig aufgetragener Farbe, welche das Weiß der Leinwand durchleuchten läßt und den  Bildern eine Leichtigkeit, Helligkeit und Strahlkraft verleiht, die mehr und mehr zu einem Charakteristikum ihrer Malerei wird.

 

Die andere Wirklichkeit ist die der Motive, zu denen sie in vielen Fällen immer wieder zurückkehrt. An einem hängenden Sakko wird die Wirkung verschiedener Farben und die Wirkung des Objekts auf der Bildfläche in allen Spielarten erprobt; nicht Serienbilder, sondern Themamit Variationen. Eine andere Obsession sind Schuhe, die wir in unzähligen Varianten antreffen. Dass Schuhe paarweise auftreten, wäre weiter nicht erwähnenswert, wenn nicht Brigitte Bruckner auch sonst eine Vorliebe für Paarungen erkennen ließe. So zeigt sie auf einem Bild zwei Fauteuils, wahre Ungetüme von Möbeln von starker plastischer Präsenz, im Dialog. Es ist, als ob sie sich in ihrer Existenz gegenseitig vergewissern würden. Auf einem anderen Bild finden wir zwei Schaukelpferde auf einem Kelim, auf einem weiteren Bild zwei Holzkisten, dann zwei Papiersäcke oder zwei Kochtöpfe.

 

Die Präsenz dieser Objekte wird noch dadurch betont, dass sie sich nicht der gewohnten Perspektive fügen. Im Gegenteil: ganz gegen die die Gesetze der Zentralperspektive verjüngen sie sich nicht, sondern verbreitern sich in die Dinge hinein, ihr Volumen nachdrücklich betonend. Dieses Missachten der Perspektiveim Frühwerk betont die dargestellten Objekte in einer geradezu  obstinaten Weise. aber nicht ein Fehlen von Räumlichkeit. Die Bilder sind zugemalt und lassen von der Leinwand kaum etwas erkennen.

 

Das hat sich in den letzten zwanzig Jahren geändert. In ihren Bildern dominiert der weiße Grund der Leinwand. Ein Bild zeigt Blumen in einer Glasvase, die am Boden steht; rechts ein Fauteuil, dahinter ein runder Tisch. Obwohl in Wirklichkeit Fläche, wird der weiße Grund durchgehend zum Raum. Nicht nur die Farben, sondern selbst ein Graphitstrich treten in einen räumlichen Zusammenhang.

 

Das kommt vor allem in den Landschaften zum Tragen, in denen die weiße Fläche der Leinwand  unversehens zu Raum wird, der sich schließlich in einem Bergkegel konkretisiert. Dabei werden die Farben zum Gipfel hin dichter, verzahnen sich und verlieren im Dienst der Vergegenständlichung des Motivs an Autonomie. Dunkle Farbe wird zu Schatten. Der Gipfel erscheint in diesem Übergang von der weißen Leinwand zum Raum als plastisches Gebilde. In den meisten Landschaften aber dominiert die Farbe als autonomes Gestaltungsmittel. Meist beherrscht das Blau der Wasserfläche in den verschiedensten Schattierungen das Bild. In dem Bild, Zweig mit Zitronen, wirken die Früchte wie herabhängende Blüten. Dazwischen zarte Farben blau, bräunlich, blaugrau, Flächen zwischen der Welt des Greifbaren. Aber da diese Farben und die Zitronen nicht aneinandergrenzen, sondern zwischen ihnen und den Früchten freie Leinwand sichtbar bleibt, man könnte von breiten Konturen in Weiß sprechen, sind sie nicht Hintergrund, sondern Flächenfüllung und damit Gegenspieler zum Gelb der Zitronen. Man spürt in diesen Bildern die Freude am Malen, die Freude am Leben. „joie de vivre“ könnte das Motto dieser Malerei gewordenen Realität sein.

 

 

Artur Rosenauer