Katharina Giraldi Haller:

Meine Freundin Brigitte Bruckner, 2015

 

Im Sommer 2011 hat mir Brigitte Bruckner für einige Tage ihr Atelier überlassen:

Heiße Nächte mit Brigittes Bildern, Diane Krall und einer Flasche Rotwein.

 

Da stehen sie und hängen, lehnen überall:

Stillleben, Motive, Schnappschüsse die banal sind (Otto Breicha, 1998).

 

Einige dieser Bilder ziehen mich an, fordern, also bin ich banal oder sind es die Arbeiten?

 

Aus dem Synonym Wörterbuch zum Wort, Banal: geistlos, inhaltslos, ideenlos, einfallslos, gehaltlos, ohne Gehalt/Tiefe/Tiefgang, oberflächlich, dumm, flach, seicht, trivial, hohl, billig, platt, nichtssagend, unbedeutend, belanglos, abgeschmackt, phrasenhaft, alltäglich, gewöhnlich, abgegriffen, verbraucht, witzlos, schal, stereotyp; ugs.: abgestanden, abgedroschen, ausgeleiert, ausgelutscht.

 

Über Banalität und vor allem was banal ist, lässt sich im neuen Jahrtausend der Wertverschiebung, diskutieren.

Banalität hat es zu etwas gebracht, besitzt Qualität, hat die Wertigkeit der Provokation.

 

...und wieder starre ich in die Bilder, beobachte, die auf dem Tisch gruppierten Stillleben, mein Blick fällt von dem auf dem Hacken hängendem orangem Hemd auf die malerische Lösung; von den Schuhen am dem Sessel auf die Leinwand...

 

Die ‚banalen’ Gegenständen hat Bruckner mit Kalkül gewählt.

Es ist kein unbedachter Zufall. Hemden und Schuhe, Früchte, Flaschen... sie fungieren als Ersetzungsschemata. Sie sind widerspruchsfrei und konsistent weil weder negierbar noch in Frage zu stellen.

 

Bruckners Logik ist in vielen berechneten Anordnungen erkennbar: Mozartkugeln stehen nicht in der Originalverpackung auf dem Tisch oder werden in Schüsseln angeboten. Mozartkugeln werden aufgetürmt und von oben nach unten fange ich an zu zählen: 0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34… Leonardo Fibonacci lässt Grüßen.

 

Weingläser stehen im unilateralen Dreieck neben der Flasche Rotwein, und einer endlos langen Reihe von Ferrero Roche. Es sind Objekte der Begierde, deren Anordnung zur Entsagung auffordern.

Gummibären leuchten aus großen, alten Apothekergläsern, dazwischen steht ein Ringelspielpferd, etwas verloren. Es geht ums kalkulierte Arrangieren und um

die Freude am Spiel.

Die Lust am Lustigen, Bizarren, Skurrilen wird deutlich. Neben- Über- Unter- einander.

Die Isolation aus dem ursprünglichen Kontext die neue Aufbereitung macht die kleine Süßigkeit zu einem unwiderstehlichem Leckerbissen und die wiederholte Darbietung zur Qual. Damit hat Bruckner ihre Freude.

Brigittes künstlerischer Anhaltspunkt beginnt in der unbewusst, gezielten Auswahl des Objekts: Es fügt sich ein und ist Teil des sinnlichen Wohn-Ateliers.

 

Brigitte malt: Mischt die Ölfarbe mit Terpentin, lauscht zur Musik ihrer Wahl und nippt vielleicht aus dem Rotweinglas.

Sie übernimmt die Regie und isoliert die Gegenstände wieder bewusst von einander, entwurzelt sie, macht sie heimatlos.

Die Bilder, die dort stehen, sind eine Vereinfachung – eine Abstrahierung der Realität. Sie fungieren als analytisches Auge und trennen die Gegenstände von ihrer natürlichen Umgebung. Die Farbtiefen und Kontraste bestechen und die schwungvoll, mutigen Bewegungen des Malprozesses erzeugen eine fragile Körperlichkeit.

Ein Aufenthalt in Brigittes Atelier macht einen leise, beruhigt und lädt zur Selbstreflexion ein.

 

‚Rotes Hemd auf rotem Sessel’, Türschnalle’, bestechend schön in ihrer Einfachheit, ‚ Leinentuch und Wein’, ‚Spiegelbild’, Ringelspielpferd, Vespa, Landschaft .

Es ist was es ist – belanglos?

Oder sind die Dinge da, um von uns benutzt zu werden?

Laden sie zum Spielen ein?

Heute zieh ich das Rote Hemd an, trinke Wein, öffne die Türe und reite auf dem Ringelspielpferd hinaus in die Landschaft.

Vielleicht nehme ich doch lieber die rote Vespa.