Teresa Hacket: Idyllischer Nachmittag im Atelier, 2004

 

Ein ganz gewöhnlicher Aprilnachmittag - der Wind pfeift durch Wiens Straßen, dennoch überdeckt ein unbeschreiblich blauer Himmel heute die einstige k.u.k. Metropole. Boulevardähnlich säumen Baumreihen die breite Praterstraße im 2. Wiener Gemeindebezirk. Bei Nummer 42 angelangt, empfängt mich - freudig - im Mezzanin die Künstlerin Brigitte Bruckner-Mikl und führt mich in die Räume ihres Ateliers. Sofort steigt ein vertrauter Geruch - Mischung aus Ölfarben und Terpentin - in meine Nase. Die angenehme Atmosphäre ihrer geräumigen Bereiche untermalen heute die Lichtverhältnisse. Sonnenstreifen erhellen streifenweise den Parkettfußboden, im Ofen knistert Holz und Sinatras Stimme ertönt aus einer Anlage im Hintergrund. Entspannt lasse ich mich in eines der großen, einladenden Fauteuils fallen, Brigitte drückt mir ein Gläschen Champagner in die Hand und wir plaudern. Dabei schweifen meine Augen umher, fühle mich wie in einer vornehmen Wohnung in Paris, bedingt durch die ornamentierten, schmiedeeisernen Brüstungen vor den hohen Fenstern.

In beiden Atelierräumen sind diverse Gegenstände, die seither, als bevorzugte Motive, ihr künstlerisches Schaffen bestimmen. Jedoch welche Beziehung die Künstlerin zu den Objekten hat und was dahinter steckt wird immer ihr ureigenstes Geheimnis bleiben. So dominiert mich im Hintergrund ein großer, breiter, dunkelbrauner Paravent, von dem - etwas verloren - ein kleines rotes T-Shirt an einem Bügel baumelt. Unmittelbar daneben steht ein dunkler Lederkoffer, der - vermutlich in den zwanziger Jahren - Reisegesellschaften Dienste geleistet hat. Das Zentrum des Raumes beherrscht eine ursprünglich weiße Kommode. Nicht nur die vielen Farbspritzer sondern auch die Utensilien - Marmeladegläser mit allerlei Pinselwerk darauf, verweisen eindeutig auf die Tätigkeit von Brigitte. Im angrenzenden Raum erblicke ich eine in Holz gefasste gotische Frauenbüste, welche von einem erhöhten Standpunkt aus, das Geschehen im Atelier streng und kritisch überwacht. Sowohl ein Schaukelpferd als auch eine Schieberechenmaschine fühlen sich in Brigittes Räumen wohler, als im Spielzeugmuseum. Auch entdeckt der Besucher Hutschachteln, Vasen, Weinflaschen - seit Jahrtausenden bevorzugte Gegenstände der klassischen Stilllebenmalerei (...).

Auf zahlreichen Gemälden in diesen Räumlichkeiten garantieren diese "life-objects" für Wiedererkennungswert durch die eigenwillige Handschrift der Künstlerin. Natürlich handelt es sich im Atelier um realistische Gegenstände, dennoch entwickeln sie in der formalen Ausgestaltung ein Eigenleben, denn spontan und frei wirkt die bildnerische Sprache. Die Malerin benutzt sogar Deformationen und perspektivische Verzerrungen, um ihrer Wahrnehmung der Dinge während des Malvorgangs Ausdruck zu verleihen. Ihre Malweise besticht durch leicht abweichende Gegenständlichkeit, vereinfachte Konturbildung und manchmal summarische Pinselhandschrift, so z.B. in ihrem Selbstportrait von 1995. Es gelingt ihr, dem Betrachter "Alltagsgegenstände" in einer reduzierten, aber expressiven Art vorzuführen. Zu den ästhetisch-gestalterischen Auffälligkeiten gehört vor allem der Einsatz des Farbmaterials - verdünntes Öl auf grundiertem Leinen - als Träger ihres inneren Erlebens und als Vermittlung ihrer Sichtweise. Flächen von Komplementärfarben ohne nennenswerte Linienkonturen werden nebeneinander gesetzt. Dennoch entwickelt die Farbe ihre Eigendynamik, denn der Malprozess endet nicht, indem die Künstlerin den Pinsel von der Leinwand nimmt, sie läuft weiter und vermittelt den Eindruck "ineinanderfließender Aquarellfarben" - vor allem bei den Naturmotiven: Seelandschaft, Badesteg, Weinberge von 1998. Eine Technik, die wie zufällig erscheint, bewusst aber eingesetzt wird und ihre dynamische "gestische" Pinselführung widerspiegelt.

Ohne Zweifel hat Brigitte Bruckner-Mikl innerhalb des Stilpluralismus am Ende der Moderne, der sein Ziel noch lange suchen wird, mit ihrer, zwischen Expressivität und Realität changierenden Malerei einen eigenen Platz gefunden. Bei aller Aktualität provozieren ihre Kunstwerke nicht, sondern erreichen auch Menschen, die Kunst einfach wegen ihrer Schönheit lieben! So auch mich, die noch Stunden im Atelier verweilen könnte, um Eindrücke zu sammeln, doch will uns der Alltag wieder einbinden. Es war ein erfüllter und entspannter Nachmittag, glücklich verabschiede ich mich und freue mich auf die nächste Begegnung mit Brigitte Bruckner-Mikl.